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Unterwegs im Glauben – langsam, frei, verbunden
Unterwegs im Glauben – langsam, frei, verbunden
Unterwegs im Glauben – langsam, frei, verbunden
# Pilgerinitiative-de
Veröffentlicht am Montag, 6. Oktober 2025 10:30

© Ellen Nemitz
Unterwegs im Glauben – langsam, frei, verbunden
Vom 8. - 15. September waren wir als ökumenische Pilgergemeinschaft im Benediktinerkloster San Vincenzo al Volturno in Italien zu Gast.
Hier einige Eindrücke von PilgerInnen reflektiert an den Pilgerworten Langsamkeit, Freiheit, Geistlichkeit und Gemeinschaft und Sorglosigkeit.
Langsamkeit
Von Gundula
Langsam aufwärts, Schritt für Schritt dem Gipfel entgegen. Tief atmen. Zwischendurch einmal anhalten, um durchzuatmen, einen Schluck Wasser zu trinken und den herrlichen Ausblick zu genießen. Der Blick wandert auf die Berge, ins Tal, auf die Wolkenformationen und den türkis-farbenen See da unten. Die Bäume und Vegetation betrachten, oder den Bach, und zuschauen, wie das Wasser über Wurzeln und Steine plätschert. Langsamkeit. Pilgern verlangsamt, und die Langsamkeit verschiebt die Wahrnehmung, lässt sie intensiver werden, schöner.

Ich nehme mir viele dieser schönen Eindrücke mit, die wir auf unserer Pilgerreise wahrnehmen konnten. Die Bilder von Bergen, Himmel, Wasser und Wald. Von Pflanzen und Früchten – rosa-reifen Kaktusfeigen, riesigen grünen Zitrusfrüchten und roten Granatäpfeln. Aber auch die Geräusche, das Rauschen von Wind und Wasser, die Schreie der Vögel und das Zirpen der Grillen. Den Geruch von Wald, Bergen und Bach; das Gefühl von der warmen Sonne auf der Haut, den schmerzenden Füßen, und dem eiskalten Berg-Wasser, das sie linderte. Und nicht zuletzt auch den Geschmack von frischen Feigen, süß und saftig direkt vom Baum, eine willkommene Stärkung beim Wandern. Von Brombeeren und Schlehen. Diese Reise hat so viele bereichernde Eindrücke hinterlassen und in der Langsamkeit konnten wir sie mit allen Sinnen erfassen und genießen.

Mein persönliches Highlight war der Besuch des Klosters Monte Cassino, wo der Hl. Benedikt im 6. Jahrhundert den Benediktinerorden gegründet hat. Es liegt relativ weit oben auf dem Berg (auf den wir diesmal nicht gewandert sind, sondern mit dem Auto gefahren wurden), so dass man von dort einen tollen Ausblick ins Tal und auf die umliegenden Berge und den Himmel hat. Wenn auch ein Großteil des Klosters im 2. Weltkrieg zerstört und danach wiederaufgebaut wurde, so konnten wir doch auch noch einige originale Gemäuer sehen, nicht zuletzt die Zelle des Hl. Benedikt. Es gibt dort auch eine beeindruckende Kirche, die sehr reich verziert ist, mit viel Gold und schönen Farben. Unter dem Grab des Hl. Benedikt liegt eine Krypta mit prächtigen Bildern an Wänden und Deckengewölbe. Und von einer Seite des Klosters blickt man auf den nahegelegenen Friedhof der polnischen Soldaten, die im 2. Weltkrieg hier gefallen sind. Er liegt kreuzförmig am Hang und ist vom Kloster aus fußläufig erreichbar. Hier liegen Schönheit und Bitterkeit der Geschichte sehr nah beieinander, lassen uns innehalten und nachdenklich werden. Neben diesen Eindrücken brachte der Tag uns auch schöne und bereichernde Begegnungen mit Menschen, die hier zu Hause sind. Zum Beispiel mit Abt Luca, der das Kloster Montecassino leitet, und mit den benediktinischen Schwestern, die am unteren Hang des Berges leben und deren Gastfreundschaft wir zum Mittagessen genießen durften. Es war ein rundum schöner und interessanter Tag.

Freiheit
von Olaf und Sabine
Thematisch begleitete uns das Schlüsselwort Freiheit auf dem anspruchsvollen Aufstieg zum Monte Marone. Wir alle entschlossen uns, völlig freiwillig, den Höhenunterschied von 800 Metern in Angriff zu nehmen und wir alle haben es geschafft. Zwei Pilger wurden mit Wegbegleitung und Applaus auf den letzten Metern noch kräftig unterstützt.
Warum tun wir uns dies an? In aller Freiheit hat sich jeder von uns dazu entschieden. Ich denke an Dietrich Bonhoeffer, der in der Todeszelle wunderbare Worte fand. Fängt Freiheit ganz in uns selbst an, ist es unsere eigene Entscheidung, unabhängig von äußeren Gegebenheiten frei zu sein?
Irgendwie fühlt sich Freiheit auf einem Gipfel immer größer an, vielleicht weil wir Gott ein Stück näher sind? Ich denke, dass Gott im Herzen uns die Kraft zur Freiheit gibt, frei nach Bonhoeffer „Von guten Mächten wunderbar geborgen“

Geistlichkeit und Gemeinschaft in St. Vincenzo
Schon beim Ankommen in St. Vincenzo spürten wir: Hier ist ein besonderer Ort. Schwester Gabriela begrüßte uns so herzlich, dass wir uns sofort willkommen fühlten. Mit einem liebevollen Lächeln fragte sie noch einmal nach unseren Namen – ein kleiner Moment, der so viel Nähe ausdrückte. Zwischen der kleinen Kapelle zur Linken und dem Speiseraum zur Rechten öffnete sich für uns eine Welt, die wir für einige Tage mit den Schwestern teilen durften. Jeden Abend wurden wir dort mit einem köstlichen Menü verwöhnt – ein Ausdruck von Gastfreundschaft, der weit über das Kulinarische hinausging. Genau dieser Raum zwischen Gemeinschaft und Geistlichkeit begleitete uns im übertragenen Sinne die gesamte Woche über.
Besonders berührt haben uns die Gesänge in Laudes und Komplet. Für mich, Olaf, war diese Form von Spiritualität zwar neu, aber nicht fremd. Ich fühlte mich sofort aufgenommen, getragen von der Atmosphäre und von dem Lächeln der Priorin, in dessen Güte etwas Wissendes, Beruhigendes lag.
Für mich, Sabine, stellte sich die Frage, welche Rolle ein Klosterleben heute in unserer Gesellschaft spielt. Es war beeindruckend zu hören, wie die Schwestern ihren eigenen Weg mit Gott suchen, ohne missionarischen Anspruch – und gerade dadurch eine enorme Ausstrahlung haben. In den letzten zehn Jahren hat sich hier viel bewegt. Allein durch ihr Sein, durch ihr Tun, bewirken sie Veränderung, Erneuerung und Inspiration.

Auch unter uns Pilgernden entstanden wertvolle Gespräche. Wir teilten unsere Glaubenserfahrungen – als evangelische oder katholische Christen, oder ganz ohne konfessionelle Bindung. Ein besonderes Erlebnis war der evangelische Gottesdienst in der Kapelle. Schwester Frederica übersetzte die deutsche Predigt für ihre Mitschwestern ins Italienische – eine Umkehrung der sonst gewohnten Rollen bei den Messen, die uns sehr bewegt hat.
Noch lange werden wir auch die Geschichte von Schwester Federica im Herzen tragen – wie sie ihren Weg ins Kloster fand und zu ihrem neuen Namen gelangte. Es sind diese Begegnungen, die Geistlichkeit und Gemeinschaft lebendig machen.
St. Vincenzo war für uns ein Ort, der uns als Pilger neu verbunden hat – mit uns selbst, mit anderen und mit dem, was wir „Geistlichkeit“ nennen.
Sorglosigkeit
Barbara Eger, evangelisch, aus Hennigsdorf bei Berlin
Für mich war diese Pilgerreise in mehrfacher Hinsicht besonders:
Das erste Mal Pilgern
1. mit einer großen Gruppe - bisher war ich allein, max. zu dritt unterwegs gewesen.
2. mit Übernachtung an einem Ort - bisher gab es immer wechselnde Quartiere entlang der Pilgerroute.
3. mit geistlichen Leben gemäß den Gebetszeiten im Kloster - bisher begleiteten mich immer einzelne biblische Impulse oder Tagesthemen.
4. mit geregelten köstlichen Mahlzeiten - bisher lebte ich aus dem Rucksack und dem, was sich so ergab.
Ich durfte mich auf der Pilgerreise in vielfacher Hinsicht in „Sorglosigkeit“ üben.
Schon allein dadurch, dass ich die Pilgerreise nicht zu organisieren hatte, legte ich eine gewisse Sorglosigkeit an Tag. Eine mir eher ungewohnte Lebensweise und zugleich immense Entlastung. Endlich nicht alles im Griff haben müssen, sondern sich ganz dem Augenblick hingeben dürfen.
Ich ließ mich also jeden Tag aufs Neue überraschen, welcher Weg, welcher Impuls, welche Sehenswürdigkeit und auch welche Herausforderungen auf mich warten würden. Das damit verbundene zur Ruhe und Einkehr kommen, tat mir gut und entschleunigte mich zusehends.
Die gemeinsamen Gebetszeiten und die morgendliche Messe taten mir sehr wohl. Tief in meinem Inneren leide ich allerdings weiterhin daran, dass wir immer noch getrennt am Tisch des Herrn sind.
Die Gastfreundschaft der Schwestern und die Gemeinschaft innerhalb der Pilgergruppe, der gegenseitige Austausch und die Anregungen, die wir einander gaben, waren unbezahlbare Geschenke auf dem Weg, den ich täglich aufs neue voller Vertrauen ging und weiterhin gehe.
Ein besonderes Highlight der Reise war für mich der Besuch der Abtei Montecassino. Mein Geburtstag ist der 10. Februar, der Tag der Heiligen Scholastica. Schon früh spürte ich eine Nähe und tiefe Verbundenheit zu ihr, ebenso zur Theologie ihres Bruders, des Heiligen Benedict. An der Stätte ihres Wirkens zu sein, hat mich tief berührt.

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