25/12/2025 0 Kommentare
Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 46
Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 46
# Jubiläum250

Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 46
Borromäerinnen (SMCB) in Stralsund - Teil 3
Ein katholisches Waisenhaus und die ersten Ordensschwestern in Stralsund von 1862 bis 1979 bis zum Rückruf in ihr Mutterhaus nach Görlitz
In den ersten beiden Episoden 18 und 21, in denen es um die Schwestern vom Orden der Borromäerinnen geht, wurde schon viel über das Wirken der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Karl Borromäus hier in Stralsund berichtet.
Wer war eigentlich Karl Borromeo, lateinisch Borromäus?

Karl Borromäus wurde als Sohn von Gilberto Borromeo und Margherita de’ Medici in Arona am Lago Maggiore in Italien geboren. Er studierte an der Universität Pavia Kirchenrecht und erhielt 1559 den Doktorgrad. Anfang 1560 holte ihn sein Onkel, Papst Pius IV., als Apostolischen Protonotar und Kardinalberater nach Rom. Dort spielte er eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Konzilsbeschlüsse von Trient. 1563 wurde er Priester und Bischof, 1564 Erzbischof von Mailand und Erzpriester von Santa Maria Maggiore. Borromäus gründete 1561 das Collegio Borromeo in Pavia für ärmere Studenten. Während der Gegenreformation setzte er sich für die Erneuerung der römisch-katholischen Kirche ein. Von 1576 bis 1578 kümmerte er sich um die Pestkranken, was seiner Gesundheit schadete. Er starb im Alter von 46 Jahren und wurde 1610 heiliggesprochen. Sein Gedenktag ist der 4. November im Allgemeinen Römischen Kalender.

Die Barmherzigen Schwestern vom hl. Karl Borromäus, auch Borromäerinnen genannt,(lateinisch: Sorores Misericordiae Sancti Caroli Borromei; Ordenskürzel: SMCB), sind eine katholische Ordensgemeinschaft päpstlichen Rechts, gegründet 1652 in Nancy. Der Orden ist in sieben unabhängige Kongregationen aufgeteilt, davon zwei in Deutschland (Trier und Grafschaft) und eine in Österreich (Wien). In Frankreich sind sie als Charité-Schwestern bekannt. Die Borromäerinnen arbeiten in der Alten- und Krankenpflege, Kindergärten, Schulen, Bildungsstätten, Katechese sowie Pilger- und Erholungsstätten. Derzeit gibt es noch etwa 300 deutsche Borromäerinnen.
1862 kamen die ersten auch nach Stralsund aus ihrem damaligen Mutterhaus in Neiße /Schlesien, um sich bei uns im Norden der Krankenpflege zu widmen. Als Wohnung überließ ihnen der amtierende Pfarrer Schnalke sein Gartenhäuschen, ein altes Wachhaus an der Stadtmauer, mit einem Zimmerchen zu ebener Erde und einem gleichen darüber, jedes 3,7 m im Quadrat, ohne Keller. Der Zugang nach oben bestand in einer Hühnerleiter von außen. Vier Jahre wohnten die Schwestern in dieser sehr ärmlichen Behausung, dann wurde im heutigen Quergebäude Platz geschaffen. Langsam wuchs ihre Gemeinschaft, 1867 - drei Schwestern, 1884 - fünf Schwestern, 1895 - sechs Schwestern, ein Jahr später dann sieben Schwestern.

Sie erteilten Handarbeitsunterricht in der bestehenden katholischen Privatschule, übernahmen die Betreuung von Waisenkindern und von Kindern aus dem weiten Gebiet von Vorpommern, die hier zur ersten Hl. Kommunion vorbereitet wurden. Dazu kam ambulante Krankenpflege, Kirchendienst und Gemeindedienst. Im Ersten Weltkrieg diente dieses kleine Waisenhaus als Reservelazarett. 1918 entschlossen sich die Schwestern, aus dem Pfarrhaus auszuziehen und sich ein eigenes Haus, Jungfernstieg 2, zu kaufen, eine ehemalige Kartenfabrik. Das Haus wurde am 29.Juli 1918 feierlich eingeweiht und erhielt eine eigene Hauskapelle. Das “neue“ Haus, zehn Fenster Front mit Erdgeschoss und Obergeschoss, war das, was man eine Bruchbude nennt; die Außenwände nur einen Ziegel stark, nicht frostsicher, ein kläglicher Küchenraum, ein ganz kleiner Keller, aber immerhin ein schöner Hofraum und ein Garten. Es ist viel gehungert und gefroren worden in diesem Haus.
Die Inflation tat ein ihres, aber die Pflegesätze der Stadtverwaltung für die Waisenkinder blieb die gleiche. Nur nach heftigen Einsprüchen entschloss sich die Stadtverwaltung Stralsund, die Pflegesätze zu erhöhen. Aus den Kassenbüchern des Hauses läßt sich nachweisen, dass Monat für Monat das gesamte Pflegegeld der Stadt nicht einmal reichte, um die anfallende Bäckerrechnung zu bezahlen.

Der tüchtigen damaligen Oberin Emerika Jarosch gelang es, das Haus am Leben zu erhalten. Mit Hilfe von Sammlungen glückte es sogar, das Haus gründlich umzubauen, die Wände frostsicher zu machen, ein weiteres Stockwerk und ein Dachgeschoss aufzusetzen.
Am 29.September 1929 konnte das Haus neu eingeweiht werden mit Platz für etwa 100 Kinder. Die katholische Privatschule im Waisenhaus wurde Mitte Februar 1940 geschlossen, der Lehrkraft der weitere Unterricht verboten. Die Nationalsozialisten waren an der Macht. Damit hörte auch die Kommunikanten-Anstalt auf zu existieren.
Denn als 1941 der neue Kurs mit 45 Kindern eröffnet werden sollte, weigerten sich die städtischen Schulen, diese Kinder aufzunehmen. In die freigewordenen Räume des Hauses zog die Wehrmacht ein. Auch die Waisenkinder mussten zusammenrücken. Am 12. Juni 1943 wurde das ganze Haus vom Oberbürgermeister für Zwecke der nationalsozialistischen Jugenderziehung beschlagnahmt. In dieser Zeit wurde auf dem anschließenden Grundstück ein „Hitler-Jugend Haus errichte, heute unser katholischer Kindergarten „Marienkrone“.
Wie war das Verhältnis der Kirchen im NS-Staat? Dieses Verhältnis ist von der kirchenhistorischen Forschung lange Zeit mit der Epochenbezeichnung „Kirchenkampf“ beschrieben worden. Damit wurde unterstellt, die beiden großen christlichen Konfessionen im Deutschen Reich, Katholiken und Protestanten, hätten in einem dauerhaften Abwehrkampf gegen die totalitären Geltungsansprüche des NS-Staats und seiner kirchenfeindlichen Weltanschauung gestanden.
Zunächst begrüßten beide großen Konfessionen grundsätzlich den „nationalen Aufbruch“ von 1933 und verbanden mit der Abkehr von der Weimarer Demokratie die Hoffnung auf Rechristianisierung einer zuvor säkularisierten Gesellschaft, in der angeblich kirchenfremde und kirchenfeindliche Parteien, soziale Bewegungen und kulturelle Strömungen die große Politik und den öffentlichen Diskurs zuungunsten der christlichen Kirchen beherrscht hätten. Die Überwindung der von kirchlicher Seite häufig polemisch als „Gottlosenrepublik“ stigmatisierten Epoche der Weimarer Republik wurde als segensreiche Wende in Staat und Gesellschaft wahrgenommen.
Im „Kirchenkampf“ auf katholischer Seite stand seit 1934 weniger der innerkirchliche Richtungsstreit als vielmehr Konflikte aufgrund politischer und weltanschaulicher Übergriffe des NS-Staats im Vordergrund. Die nach außen viel mehr geschlossen agierende katholische Kirche war darauf bedacht, ihre durch das Reichskonkordat von 1933 garantierten religiösen Freiheiten und kirchlichen Rechte gegenüber dem NS-Staat zu behaupten.
Während der Kriegsjahre 1939 -1945 wandelten sich die Kirche-Staat-Beziehungen ein Stück weit. Im Protestantismus bildeten sich die scharfen inneren Kirchenkampffronten. Christlicher Widerstand gegen den verbrecherischen Krieg, gegen die Euthanasiemaßnahmen, gegen die Judendeportationen und den Holocaust blieben in beiden Konfessionen die eher seltene Ausnahme von mutigen Einzelpersönlichkeiten wie Dietrich Bonhoeffer, Helmut Hesse oder Elisabeth Schmitz auf protestantischer und Clemens August Graf von Galen, Bernhard Lichtenberg oder Gertrud Luckner auf katholischer Seite.
Städte, Straßen und öffentliche Plätze haben in der Regel Namen, welche die Kultur, die Werte und das Erbe der örtlichen Gemeinschaft widerspiegeln. Oft haben die gewählten Namen eine bestimmte politische Bedeutung – dies gilt für demokratische Länder ebenso wie für Diktaturen. So galt es auch für das Deutschland des zwanzigsten Jahrhunderts, wo Straßen die Namen von Königen, politischen Führern usw. trugen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Nationalsozialisten als neue Machthaber in Deutschland nach 1933 wichtige Orte und Straßen nach ihrer eigenen Weltanschauung umbenannten. Bei der Umbenennung von Straßen und öffentlichen Plätzen verfolgten die Nationalsozialisten denselben Ansatz wie bei Kunst, Kultur und anderen Bereichen: Sie entfernten alle Hinweise auf Juden, auf angeblichen ausländischen Einfluss und tilgten jeden Namen, der mit der Weimarer Republik in Verbindung gebracht wurde (z. B. Rothschild, Lassalle, Platz der Republik oder Friedrich Ebert). Solche Namen wurden durch die Namen von Führern und Märtyrern des Nationalsozialismus (Adolf Hitler, Hermann Göring, Norkus) oder durch Orte und Namen, die mit berühmten Schlachten oder deutschem Erbe verbunden sind (Tannenberg, Richard Wagner), ersetzt.
Die Schwestern wurden in der Nazi-Zeit an unterschiedlichen Orten dienstverpflichtet .Die Kinder wurden von den Fürsorgeämtern anderweitig untergebracht. Zeitweise blieb nur eine alte Schwester in Stralsund, die ein Zimmer im Pfarrhaus hatte. Am 9. Juli 1943 wurde die letzte Heilige Messe in der St. Josef Kapelle des Waisenhauses gehalten. Am 1.Juli 1945 bekamen die Schwestern das Haus zurück, vollbesetzt mit Flüchtlingen. In Episode 20 berichtet Familie Langkavel ganz speziell darüber.
Überarbeitet von Roland Steinfurth
Korrektur Wolfgang Vogt
Gemeinde Hl. Dreifaltigkeit Stralsund
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