20/11/2025 0 Kommentare
Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 43
Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 43
# Jubiläum250

Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 43
Ein katholischer Pfarrer in Zeiten des Umbruchs – Vatikanisches Konzil und Kirchenumbau
Pfarrer Georg Ketz

Georg Ketz wurde am 31. Dezember 1914 in Berlin geboren. Seine Priesterweihe empfing er am 20. März 1943 von Konrad Kardinal Preysing. Seine erste Anstellung als Hilfskaplan war in St. Petrus in Berlin-Wedding im Juli 1946. Ob er nach seiner Priesterweihe noch zum Heeresdienst berufen wurde oder warum hier eine Lücke im priesterlichen Lebenslauf ist, muss unbeantwortet bleiben. Im November 1946 wurde er zum Kaplan in Eberswalde, im Juli 1949 dann zum Kaplan in Anklam ernannt. Kurz vor Weihnachten 1950 kam er in die Pfarrei Mater Dolorosa in Berlin - Lankwitz, dann wurde 1954 Kuratus der Pfarrei St. Petrus in Leegebruch.
Im Februar 1955 erhielt Georg Ketz den Titel „Pfarrer“ und wurde im September 1960 zum Pfarrer in unserer Gemeinde Heilige Dreifaltigkeit. Am 16. November 1960 wurde er vom Erzpriester des Dekanats, dem Geistlichen Rat Lorenz aus Greifswald, in sein Amt eingeführt. Hier begannen dann nach den Erkenntnissen und Bestimmungen des II. Vatikanischen Konzils größere Umbaumaßnahmen. Zwei Päpste hatten daran Anteil, so Papst Johannes XXIII. und Papst Paul VI. Das Konzil dauerte drei Jahre –von 1962 bis 1965, es sollte durch eine grundlegende Reform die Kirche in eine neue Zeit führen. Z. B. eine Liturgiereform (muttersprachlicher Gottesdienst), die Anerkennung der Religionsfreiheit, der ökumenische Dialog. Durch die Beschlüsse des Zweiten Vatikanums rückte die Gemeinde buchstäblich an den Altarraum heran. Die Zeiten, in denen der Priester wie auf einer Bühne mit Rücken zu den Gläubigen stand, waren vorbei. Die Gotteshäuser wurden entweder neu gebaut oder ihre historischen Räume den Ansichten des Konzils angepassen. Bei uns wurde ein Umbau in Angriff genommen. Maßgeblichen Anteil daran hatte auch Pfarrer Georg Ketz. So wurde 1966 der Eingang von der Frankenstraße zum Frankenwall verlegt. An der Nordseite der Kirche entstand der neue Altarraum. Der Dresdner Architekt Friedrich Press entwarf die Altarwand als „Rotes Meer“ mit wellenförmig gemauerten roten Ziegeln, auch das Kreuz in der Sakramentskapelle ist ein Press`scher Entwurf.
Georg Ketz
Katholischer Geistlicher der Diözese Berlin
* 31. Dezember 1914, ✝ 24. Januar 1982
28.2.1943 Priesterweihe,
6.7.1946 Kaplan bei Sankt Petrus in Berlin,
1.11.1946 Kaplan bei Sankt Peter und Paul in Eberswalde,
1.7.1949 Kaplan in Anklam,
1.12.1950 Kaplan bei Mater Dolorosa in Berlin,
1.10.1954 Kurat in Leegebruch,
31.1.1955 Titularpfarrer,
1.9.1960 - 31.3.1971 Pfarrer in Stralsund.
Seinen Ruhewohnsitz nahm er in Lehmwerder im Landkreis Wesermarsch in Niedersachsen im Bistum Münster. In Lehmwerder wirkt er als Pfarrverwalter der Gemeinde Heilig Geist bis zu seinem Tod.
Quellen und Literatur: Schematismus des Bistums Berlin für das Jahr 1947, Berlin o.J. [1947], S. 66.
Schematismus für das Bistum Berlin 1981, Berlin o.J [1981], S. 152.
Schematismus für das Bistum Berlin 1982, Berlin o.J [1982], S. 187.
BERICHT ZUM UMBAU unserer Pfarrkirche
In die Jahre 1967/68 fiel die Umgestaltung unserer Pfarrkirche, die unser Pfarrer Ketz gemeinsam mit dem Architekten Friedrich Press aus Dresden vorantrieb. Vormals befand sich der Eingang der Kirche von der Frankenstraße her. Der Altar befand sich dort, wo heute die Orgel steht. Vom Eingang aus der Frankenstaße betrat man einen Windfang und ging von dort durch einen Mittelgang in die Bänke. Durch den Umbau wurde der Mittelgang aufgehoben und über 300 Sitzplätze in der Kirche geschaffen. Die Orgel wurde erst einige Jahre später von der Orgelbaufirma Sauer aus Frankfurt/Oder eingebaut. Während der Umbauzeit der Kirche fand der katholische Gottesdienst im Turm der Jakobikirche statt.

Bei der Fertigstellung der Umbaumaßnahmen gab es immer wieder Verzögerungen, da die benötigten Baumaterialien nicht rechtzeitig bereitstanden. Ganz begeistert waren wir aber, als Kardinal Bengsch 1968 den neu gestalteten Kirchenraum einweihen konnte.
Das Konzept von Pfarrer Ketz gemeinsam mit dem Architekten und im ständigen Austausch auch mit den Gemeindegremien war aufgegangen und gelungen. Die Idee, das „Mahl“ inmitten der Gemeinde zu feiern, vom II. Vatikanum initiiert, war angekommen. Der Altar als Anker in der Mitte und aus Granit ist von zahlreichen Einschlägen gezeichnet, die auch den Weg der Kirche durch die Jahrhunderte symbolisieren. Das Kreuz aus Bronze ist ein Zeichen für die Härte, die Schwere, die auch Menschen widerfahren kann. Sie ist sozusagen auch in das Fleisch des Menschen in unser Christsein eingepflanzt. Die Altarwand will an den Durchgang des Gottesvolkes durch das Rote Meer erinnern. Stilistisch verbindet es sich mit unserer norddeutschen Backsteingotik. Im übertragenen Sinn sind wir in der DDR-Zeit auch durch das „rote Meer“ von kämpferischem, in doktrinären Materialismus sowjetischer Prägung gegangen. Der Tabernakel wurde in die Seitenkapelle zur Anbetung verlagert und der Kirchenraum ein auch für die Ökumene nutzbarer Raum.
Hubert Kaufhold

Pfarrer Georg Ketz verzichtete aus persönlichen Gründen auf die Pfarrei in Stralsund. Gesundheitlich war er angeschlagen und das zölibatäre Leben war nicht in seinem Sinne. Er wurde nach Lehmwerder im Landkreis Wesermarsch in Niedersachsen im Bistum Münster, in die Gemeinde „Heilig Geist“ versetzt.
Bild: Kirche in Lehmwerder außen
Als Pfarrverwalter nahm er dort auch seinen Ruhesitz. Am 24. Januar 1982 ist er dort plötzlich an den Folgen eines Herzinfarktes verstorben.
Gedenken wir seiner und möge unser Umbau - Konzilspfarrer in Frieden ruhen.
Pfarrer Georg Ketz: Gemeindeglieder und Andere berichten
Unter Pfarrer Ketz wurde ich mit Hilfe der Ministranten-Gruppenleiter Peter Lebek und Henning Mascow sowie Oberministrant Harald Lastovka im liturgischen Ministrantendienst geschult, noch mit Latein. Besonders das „Confiteor“ blieb da im Gedächtnis. ….. Confiteor Deo omnipotenti …… und nach dem …. Mea culpa, Mea culpa, Mea Maxima culpa …, alles noch mal von vorne, nur in einem anderen lateinischen Fall. Pfarrer Ketz war nach dem Ministrieren in der Sakristei immer resolut mit Lob und Tadel. Es gab dann oft süße Belohnung, aber andermal auch deftige Worte, es beim nächsten Mal besser zu können und Latein zu üben. Eine Situation ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Sonntagsgottesdienst um 10 h in Heilige Dreifaltigkeit, damals noch am Hoch-Altar, wo heute die Orgel steht. Ein Ministrant musste immer zu gegebener Zeit das riesige Messbuch mit der richtig aufgeschlagenen Seite dem Pfarrer zum Lesen halten. Die bunten Bänder im Buch hatten da ihre Reihenfolge. Ministrantendienste wurden aufgeteilt in Kerzendienst, Wasser und Wein, Buch und bei entsprechenden Anlässen auch Weihrauch. An besagtem Sonntag hatte Wolfgang Staron (Schacke) Buchdienst (der Vater im Himmel hab in selig). Dreimal schlug er das Messbuch an den falschen Bändern auf, so dass Pfarrer Ketz die Geduld verlor, das schwere Messbuch nahm und es Wolfgang auf den Kopf legte mit den Worten: Damit du weißt, wie schwer es ist, wenn wann was zu tun ist. Also war der Buchdienst bei Pfarrer Ketz immer mit Vorsicht zu genießen.
Roland Steinfurth

Wir müssen 15-16 Jahre alt gewesen sein, im Frühjahr 1969/70 rief Pfarrer Ketz Thomas Nachtwey und mich ins Pfarrbüro. Es schien wichtig zu sein. „Also Jungs, begann er: In diesen Sommerferien haben wir für die Sommerfreizeit der Jungen im Alter bis 16 Jahre von der Jugendseelsorge in Berlin für Alt-Buchhorst 6-8 freie Plätze bekommen. Nur ich habe keinen Gruppenhelfer oder Erwachsenen, der euch dorthin begleiten könnte. Wollt ihr das übernehmen?“ Welcher 16jährige sagt da schon nein. Der Pfarrer gab uns eine Liste mit den Namen. Wegen der Fahrkarten und allem weiteren würden wir uns dann noch absprechen. Alt Buchhorst, hinlänglich als AB genannt. Von den Älteren wussten wir, dass die Freizeiten dort ganz großartig sein sollten. Selbst waren wir aber noch nie dort. Also machten wir uns ans Werk. Wer kam damals alles mit – Peter Tretzka, Günther Patzak, Jürgen Schams, Bruno Schemski, Rainer Heidenreich und Thomas Nachtwey und meine Wenigkeit. Unsere erste selbstständige größere Zugfahrt und S-Bahn fahren waren wir als Provinzkinder ja auch nicht gewohnt. Es funktionierte alles mit dem Zug von Stralsund nach Berlin –Ostbahnhof, dann noch die richtige S-Bahn in die richtige Richtung finden. Unser erstes Ziel war Erkner, dort kamen wir gut an. Von hier mit dem Zug Richtung Frankfurt/Oder, eine Station bis Fangschleuse - geschafft. Nun nur noch ein kurzes Stück durch den Wald über den Zeltplatz und wir waren bei „Christian Schreiber“ in AB angekommen. Es wurde eine tolle Jungendfreizeit unter dem damaligen Rektor Pfarrer Helmut Graefe. Viele Jahre später sind wir immer wieder gern nach AB gefahren, z. B. mit unserem großen Otto –Stück, mit fast 40 Laiendarstellern unterschiedlichsten Alters aus unserer Gemeinde.
Roland Steinfurth
Ankunft vor 61 Jahren
Als junges Ehepaar kamen wir im Jahr 1964 in die Gemeinde nach Stralsund. Wir als „gute Katholiken“ meldeten uns pflichtgemäß beim zuständigen Pfarrer Georg Ketz an und fragten nach einem Ehepaarkreis oder Familienkreis, dem wir uns anzuschließen gedachten. Die Antwort des Pfarrers klang etwas barsch: “Wenn Sie einen Familienkreis brauchen, dann gründen Sie einen.“ Das war etwas ernüchternd, denn wir kannten noch niemanden. Kurze Zeit später kam dann in den sonntäglichen Vermeldungen eine Einladung zu einem Einkehrtag aller jungen Eheleute, die in den letzten 5 Jahren geheiratet hatten. Dieser Tag brachte dann den Startschuss für ein Kennenlernen und den Beginn eines regelmäßigen und persönlichen Austausches mit Gleichgesinnten. Man muss hier einfügen, dass in dieser Zeit der DDR-Staat einen regelrechten Kirchenkampf entfacht hatte, um die konfessionsgebundenen Menschen auf eine vom Staat geforderte atheistische Ideologie einzuschwören. Wir blieben unserer Einstellung treu und teilten diese in unserem Familienkreis und Freunden. Diese gegenseitige Bestärkung hat uns während der gesamten DDR-Zeit zusammengeschmiedet und besonders im Glauben bestärkt. Zu dieser Zeit gab es in der Gemeinde neben dem Pfarrer Georg Ketz zwei weitere Geistliche, die auch neben Niepars etliche andere Gottesdienstorte rund um Stralsund aufrechterhielten, etwa in Steinhagen, Großmohrdorf, Prohn, Velgast, bei uns in Niepars oder bei Familie Hintner in Pantelitz.
In den ersten Jahren unserer Gemeindemitgliedschaft gab es einige Kreise, die uns in unserem Glaubensleben formten. So waren neben dem Familienkreis ein Glaubensseminar, einem Bibelkreis, einem ökumenischen Arbeitskreis und einem Akademikerkreis im Angebot. Man konnte also von einem sehr regen Glaubensleben in der Gemeinde sprechen.
In der DDR wurden von Zeit zu Zeit sogenannte „Volkswahlen“ abgehalten. Freie Wahlen waren das nicht! Das Wahlvolk hatte lediglich die Wahlzettel zu kniffen und in die Wahlurne zu stecken. Es gab nur die Einheitsliste, auf der nur die Kandidaten der Sozialistischen Einheitspartei (SED) die Mehrheit präsentierten. Das Ergebnis stand immer fest bei gesicherten 99% der Zustimmung.

An so einem besagten Wahlsonntag hatte Pfarrer Ketz einen alttestamentlichen Predigttext gewählt, der uns aufhorchen ließ. Er lautete:“ Es sind Gauner und Halunken und sie zu wählen ist mir ein Gräuel.“ Wir als Zuhörer verstanden den tieferen Sinn dieser Anspielung auf das Tagesgeschehen.
Bild: Pfr. Ketz und Dechant Pich, Fronleichnams- Prozession
Dazu hat Pfarrer Ketz ein Kuriosum gerne zu Besten gegeben: Eines Tages stand eine Dame mit einem großen Blumenstrauß an seiner Tür. Sie berichtete, dass sie dieses Bukett von der Staatssicherheit erhalten habe dafür, dass sie über die Sonntagspredigten des Pfarrers Berichte anfertigen sollte. Sie sagte: „Wenn Sie mich also in der Kirche sehen, sollen Sie wissen, dass ich Sie beobachten und zitieren muss.“
Hubert Kaufhold
Überarbeitet von Roland Steinfurth
Korrektur Wolfgang Vogt
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