
17/07/2025 0 Kommentare
Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 29
Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 29
# Jubiläum250

Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 29
Dechant (Dekan) Josef Pich - Ein einfühlsamer, zuhörender Seelsorger
Seelsorger der Katholischen Heimatvertriebenen in Stralsund
Er war für viele Flüchtlinge und Heimatvertriebene der Priester, der wie sie selbst die Vertreibung aus der Heimat erlebt hatte und jetzt in Stralsund und Vorpommern gelandet war.

Für alle Gläubigen der Gemeinde Heilige Dreifaltigkeit Stralsund war er ein hochverehrter Priester und väterlicher Freund. Josef Pich wurde als Erstes von acht Kindern eines Kleinbauern am 7.September 1884 in Liebenthal, Keis Trautenau am Fuße des Riesengebirges, geboren. Nach dem Besuch der Volksschule und des tschechischen Gymnasiums in Königinhof (Dvur Kralove), wo er das Abitur in tschechischer Sprache ablegte, ging er in das Priesterseminar in Königgrätz (Hradez Kralove). Hier legte er das Examen in lateinischer Sprache ab. Am 12.Juli 1908 weihte ihn Bischof Josef Doubrawa zum Priester. Danach war er 16 Jahre lang Kaplan in seiner Heimatgemeinde Dubenetz, zu der sieben Filialkirchen gehörten. Hier predigte er jeden Sonntag in deutscher und tschechischer Sprache. Nach einer Zwischentätigkeit in Schürz und Salnai kam Pfarrer Josef Pich 1928 wieder nach Dubenetz zurück, wo er bis zu seiner Vertreibung 1946 blieb. Eine schwierige Zeit nach dem Krieg, es gab keine Kapläne, die schwere Arbeitslast lag jetzt allein auf seinen Schultern. Pfarrer Josef Pich verzichtete auf Pferdefuhrwerk und Fahrrad. Er wanderte zu Fuß von Kirche zu Kirche, von Schule zu Schule, von Friedhof zu Friedhof und von Krankenbett zu Krankenbett. Auf den Wegen betete er den Rosenkranz oder das Brevier. Dechant (Dekan) Josef Pich war bei der Bevölkerung sowie bei den weltlichen und geistlichen Behörden hoch angesehen.
Von der Kirche erhielt er viele Auszeichnungen: Er war Bischöflicher Vikar, Konsistorialrat, Personaldechant und ab 1938 Dechant des Vikariates Gradlitz. Trotz dieser Auszeichnungen blieb er ein bescheidener, freundlich, schlichter Dorfpfarrer. Nach dem Krieg verhafteten ihn die Tschechen, die dem deutschen Pfarrer nicht wohlgesonnen waren. Er blieb sieben Monate in Untersuchungshaft, wo man nicht gerade sanft mit ihm umging. Nach seiner Entlassung wurde er aus dem Land vertrieben. Er verließ die ihm fremd gewordene Gemeinde in Dubenetz und den tschechischen Staat, der den deutschen Bewohnern Jahrhunderte Heimat gewesen war.
Auf diesem mühevollen Fluchtweg wurde ihm die gesamte Habe gestohlen. Am 21. September 1946 kam er zunächst nach Ribnitz, danach nach Wustrow. Er folgte am 16.Dezember 1946 gerne dem Ruf als Hilfspriester nach Stralsund. Er war ein gesuchter Beichtvater, Krankenseelsorger und Fastenprediger. Wie in der tschechisch/sudetendeutschen Heimat, so benutzte er auch in Pommern kein Fahrzeug. Er wanderte zu Fuß über die Dörfer. Bis weit in die 60er Jahre hat er seinen priesterlichen Dienst in unserer Gemeinde im Auftrag des Vaters im Himmel ganz individuell und voller Hingabe getan. Ehemalige Ministranten, die ihn begleiteten, können sich gut daran erinnern. Auf den Konventen erfreute er seine Mitbrüder immer durch seine in Latein gehaltenen Tischreden. Am 14.August 1972 stirbt Dechant Josef Pich. Er fand seine letzte Ruhestätte auch auf dem Alten Katholischen Friedhof. Seine Daten findet man auf der Stehle des Friedhofs. Auf seinem Grabstein steht: „Ich bin Josef, euer Bruder“.
Autorin: Felicitas Knoppke
Dechant/Dekan Josef, Pich: Gemeindeglieder und Andere berichten.
Erinnerung an Dechant Pich

Am 18. August 1972, wurde in Stralsund unter großer Beteiligung vieler sudetendeutscher Landsleute der ehemalige Dekan, Vikar, Bischöfliche Notar und Konsistorialrat Josef Pich zu Grabe getragen. Geboren wurde er am 7.September 1894 im Dorf Liebthal, unweit von Hermanitz, wo einst Wallenstein das Licht der Welt erblickte. Im elterlichen Bauernhof mit drei Brüdern und zwei Schwestern aufgewachsen, besuchte er dort die Volksschule, dann das tschechische Gymnasium in Königinhof. Nach dem Priesterseminar wurde er im ehrwürdigen Dom zu Königgrätz am 12. Juli 1908 vom Bischof Doubrawa zum Priester geweiht. Als Kaplan wirkte er in Dubenetz und Schurz, 1926 in Salnei als Pfarrer und wurde 1928 Pfarrer wieder in Dubenetz. Zu seiner ausgedehnten Pfarrei zählten die Dörfer Ober-und Niederdubenetz, Liebthal, Siebojed, Stern, Littitsch, Neujahrsdorf mit zwei Filialkirchen und dem tschechischen Moorbad Welchowek. Bald wurde er Vikar, leitete die Priesterkonferenz seines Vikariats und kontrollierte den Religionsunterricht, der ihm besonders am Herzen lag, in seinem Bereich bis zum Wallfahrtsort Ketzelsdorf. Als Grenzlandgeistlicher sprach er deutsch wie auch tschechisch und wurde von beiden Bevölkerungsgruppen hoch geachtet. Als Pfarrer, Vikar und Dechant machte er grundsätzlich die meisten Wege zu Fuß und verachtete sogar das Fahrrad als Verkehrsmittel, auf dem er, wie er sagte, schlecht den Rosenkranz beten konnte. In den schweren Jahren nach dem ersten Weltkrieg bettelte er selbst für die Notleidenden und konnte jährlich zwei bis drei mit Kartoffeln, Getreide und Gemüse gefüllte Lastwagen nach den Bezirksstädten Trautenau und Hohenelbe schicken. Überall stand er in hohem Ansehen, obwohl er nichts weniger als seine Würde zur Schau trug. Für Katecheten in seinem Bereich stand er mit Rat und Tat zur Seite. Unser Pfarrer Josef Pich blieb trotz seiner zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen der schlichte, stets freundliche, fromme Volkspriester. Obwohl er keinem Tschechen ein Leid angetan hatte, brachte die Welle von Hass ihn 1945 in das tschechische Gefängnis von Königinhof. Mit dem letzten Vertriebenentransport Ende September 1946 aus Königinhof kam er mit seinen Landsleuten und Kirchenkindern in das Quarantänelager Ribnitz und über das Ostseebad Wustrow, wo seine Schwester blieb, nach Stralsund. Hier kam er mit nichts an, da man ihm in Berlin beide Koffer gestohlen hatte.
Über diese Zeit schreibt er einmal einem Freund :
„…. In den vielen Jahren im unwirtschaftlichen Norden hat man durch die Ungunst der Witterung viel gelitten, ich war vielfach zu Fuß unterwegs, 9 Monate Winter. Zu Anfang die Ausdehnung der Pfarre, 1300 km², 89 Dörfer. Ich bin 1948 noch durch Urwälder gewandert, von Wildschweinen bedroht. Stütze und Stab der Riesengebirgler bin ich gewesen, die hier massig vertreten. …….“
„Er ist unser Vater“, konnten sie sagen. Am 12.07.1958 feierte er in der mit Riesengebirglern überfüllten katholischen Pfarrkirche in Stralsund sein Goldenes Priesterjubiläum, wo ihm am Schluss des Gottesdienstes das Riesengebirgslied mit der Orgel gespielt und von den Gläubigen gesungen wurde. Sein größter Wunsch war es, die alte Heimat noch einmal wiederzusehen. Im Frühjahr 1972 ging sein Wunsch in Erfüllung. Mit dem Pfarrer und dem Kaplan von Stralsund fuhr der im 88. Lebensjahr stehende Riesengebirgspriester die 780 km weite Reise mit dem Auto von Stralsund nach Dubenetz in Böhmen. Während der Fahrt machten sie mehrmals Station in katholischen Schwesternhäusern. Drei Tage weilten sie in Dubenetz, wo er auch an den Gräbern der Eltern knieend sein Gebet verrichtete. 26 Jahre wirkte unser Pfarrer als Aushilfspriester in Stralsund. Der Vater der Riesengebirgler verstarb wenige Monate nach seiner Reise am 14.08.1972 an Altersschwäche. Seine Beerdigung war ein sichtbares Zeugnis seiner Wertschätzung. 27 Priester, an der Spitze seine Eminenz Alfred Kardinal Bengsch aus Berlin und eine unübersehbare Anzahl von Trauernden begleiteten den Toten auf seinem letzten Weg. Das hätte sich der schlichte Pfarrer Josef Pich nie gedacht, dass ihm am Grab ein Kardinal für all seine Liebe und Güte danken würde.
Zeitung des Heimatkreises Trautenau und der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Paul Pusch
All dies Geschehen in der Zeit der 60er Jahre wusste Dechant Josef Pich gut einzuordnen und teilweise auch intensiv zu kommentieren. Besonders bewegt war er um die Aktionen des „Prager Frühlings“, seine Heimat lag ihm immer sehr am Herzen. So ging auch sein großer Wunsch, noch einmal eine große Reise zusammen mit unserem damaligen Kaplan Jörg Wittig in seine Heimat zu machen, in Erfüllung. Er besuchte noch einmal die Orte der Kindheit, der Jugend, vom Studium und ersten priesterlichen Anstellungen. Voller Freude hat er darüber noch in Stralsund berichtet. Im August 1972 vollendet sich sein Leben in Stralsund.
In Gedenken an Frau Felicitas Knoppke; verstorben 2024 /
überarbeitet von Roland Steinfurth
Korrektur Wolfgang Vogt
Gemeinde Hl. Dreifaltigkeit Stralsund
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