Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 25

Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 25

Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 25

# Jubiläum250

Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 25

Sie waren unsere Nachbarn – die jüdische Gemeinde in Stralsund

Am 9. November 1938 brannten in ganz Deutschland die Synagogen. Eine aufgehetzte Menge ging auf die Straße, zertrümmerte die Fensterscheiben jüdischer Geschäfte und plünderte sie. Unschuldige Menschen wurden, nur weil sie Juden waren, misshandelt, gedemütigt, verspottet und in „Schutzhaft“ genommen. Was so begann, endete mit der Ermordung von 6 Millionen Juden in Vernichtungslagern der Nationalsozialisten. Und auf welcher Seite standen wir in dieser Nacht? Haben wir geholfen oder gleichgültig weggesehen? Konnte man überhaupt helfen? Ja, es hat sie gegeben. Mutige Männer und Frauen haben Verzweifelte getröstet und die Verfolgten in ihren Wohnungen und Häusern versteckt. Dompropst Bernhard Lichtenberg betete öffentlich in der Hedwigskathedrale für unsere verfolgten jüdischen Brüder und Schwestern und bezahlte diesen Liebesbeweis mit seinem Leben. Wohl dem, der beim jüngsten Gericht auf die Frage:  „Wo ist dein Bruder Abel?“ nicht antworten muss: „Ich weiß es nicht Herr, bin ich denn der Hüter meines Bruders?“

Auch in Stralsund gab es eine jüdische Gemeinde, und an die möchte ich heute erinnern. Mit den deutschen Einwanderern im 13. Jahrhundert kamen vermutlich auch die ersten Juden in unser Land. Sie lebten in Stralsund im Bereich der späteren Judenstraße. Im 15. Jahrhundert musste die jüdische Bevölkerung wegen angeblicher Hostienschändung Pommern und Mecklenburg verlassen. Erst 1757 mit der Errichtung der Königlichen Münze in Stralsund erhalten die Münzdirektoren Giese und Olthof die Erlaubnis, Juden anzustellen, die den Ankauf von Edelmetallen besorgten. 1765 waren in Stralsund 35 Juden ansässig. Da es immer wieder von Seiten der Stralsunder Kaufleute, die in den jüdischen Händlern eine Konkurrenz sahen, zu Protesten kam, erließ der schwedische König im Jahre 1777 das sogenannte Toleranzedikt. Dies legte fest, dass nur einige jüdische Familien im Land aufgenommen werden sollten. Den konzessionierten Juden war es bei Strafe verboten, ein Handwerk auszuüben. Erlaubt war ihnen Wechselhandel, Geld auf Wechsel und Pfänder auszuleihen, sowie Manufakturen und Fabriken zu betreiben. Außerdem durften sie handeln mit Drapolor, Drapdargent (das sind besonders bearbeitete Tuche ), mit gestickten Waren, Juwelen, Uhren, Pelzwerk, Bruchgold und – silber, Pferden, Rindvieh, mit wohlriechenden Wassern und Seifen, alten Kleidern und Hausgeräten. Ihre Handelsbücher mussten sie in deutscher Sprache führen.

Am 30. März 1787 erfolgte die feierliche Eröffnung der Synagoge, die wie das Toleranzedikt vorschrieb, nicht einsehbar, auf dem Hof des Hauses Langenstraße 69 stand. In der Nähe des Gotteshauses befand sich die jüdische „Mikwe“ , ein rituelles jüdisches Tauchbad. 1812 wird als erster Rabbiner Philipp Roth erwähnt. Ende des 18. Jahrhundert gestattet der Kaufmann Giese den Juden, ihre Toten neben dem Lustgarten seines Gutes in Niederhof zu bestatten. 1850 erwirbt die jüdische Gemeinde an der Greifswalder Chaussee ein Ackerstück und legt hier einen zweiten Friedhof an.

Die jüdischen Mitbürger blieben jahrhundertelang Fremde in unserer Stadt. Immer wieder versuchte man, sie aus der Stadt zu vertreiben. Dies änderte sich erst, als Neuvorpommern zu Preußen kommt. In der Preußischen Verfassung von 1848 ist festgelegt, dass für alle Bürger, unabhängig vom religiösen Bekenntnis und der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, die gleichen bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte gelten. Um 1900 wohnten in der Stadt 100 jüdische Einwohner. Ein Ghetto hat es in Stralsund nie gegeben. Es gab jüdische Geschäfte vor allem in der Frankenstraße. Bis zu seiner Auswanderung nach Paraguay lebte der Kaufmann Gustav Zimmerspitz im katholischen Pfarrhaus in der Frankenstaraße. Die meisten Juden in Stralsund waren arm und wanderten als Hausierer mit dem Bauchladen von Ort zu Ort. Nur wenige brachten es zu Reichtum und Ansehen. 1852 waren die Brüder Wertheim nach Stralsund gekommen und betrieben einen Kramladen in ihrer Wohnung an der Mönchstraße. 1875 wird an der Ossenreyerstraße das erste Wertheim-Kaufhaus in Deutschland eröffnet. 1880 erwirbt der jüdische Kaufmann Leonard Tietz ein Haus an der Ossenreyerstraße und baut dies zu einem Kaufhaus um. Er gilt als der Begründer des späteren Warenhauskonzerns „Kaufhof“.

Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 begann auch für die in Stralsund lebenden Juden ein unendlicher Leidensweg. Der “Judenspiegel“, den die „Pommersche Zeitung“ im August 1935 veröffentlichte, stellte die Juden als „Verbrecher“ und „Verderber“ Deutschlands und der ganzen Welt dar. Alle „Nichtarier“ werden aus den öffentlichen Ämtern und intellektuellen Berufen entfernt. Schüler und Studenten mussten die Bildungseinrichtungen verlassen, jüdische Geschäfte wurden boykottiert. Alle Juden, die keinen erkennbaren jüdischen Vornamen hatten, mussten den zusätzlichen Namen Sarah oder Israel nehmen. Ab 1. Januar 1939 ist allen jüdischen Mitbürgern die Handelstätigkeit verboten und ab 1941 musste jeder deutlich sichtbar den Davidstern tragen. Der Besuch von Theater, Kino, Bibliotheken und anderen Kultur- und wissenschaftlichen Einrichtungen war ihnen verboten. Auch das Benutzen der öffentlichen Verkehrsmittel, ja sogar das Betreten von öffentlichen Anlagen war Juden bei Strafe untersagt. In der Pogromnacht kommt es auch in Stralsund zu Ausschreitungen. Jüdische Geschäfte wurden geplündert, die Synagoge in Brand gesteckt und 30 jüdische Einwohner verhaftet. Das Schicksal der meisten jüdischen Mitbürger (1933 lebten 160 Juden in Stralsund) ist unbekannt. Einige konnten ins Ausland emigrieren. Viele von ihnen sind aber in den Gaskammern von Auschwitz und anderswo umgekommen.

„Sie lebten mit uns, ihre Spuren sind ausgelöscht! Was nun einmal geschehen, kann ungeschehen nie wieder werden. Aber für das, was kommt, wache und sorge zuvor!“

Felicitas Knoppke

Abschrift einer Aussage von David Mandelbaum, ohne Datum

Ich bin am 19.6. 1897 in Chelmo/Polen als Sohn jüdischer Eltern geboren und gehöre noch heute der jüdischen Glaubensgemeinschaft an. Mein letzter Wohnsitz in Deutschland war Stralsund/Pommern. Im Sommer 1935 wurde ich in Stralsund überfallen und schwer misshandelt. Ich flüchtete hierauf nach Posen. Nachdem die deutschen Truppen Posen besetzt hatten, flüchtete ich nach dem Kriegsausbruch weiter nach Warschau, welches ebenfalls von der deutschen Wehrmacht besetzt war. Ich ließ mich mit meiner Familie in der Paviastr. 40 nieder, welche nach Errichtung des Ghettos im Oktober 1940 in den Ghettoreich fiel.

Buch „Braune Schatten überm Sund“ Käthe Zwiener, Stralsund, ehemalige Personalleiterin bei Tietz

„Alle jüdischen und nichtjüdischen Angestellten kamen am Tag des Boykotts, dem 1. April 1933, wie an jedem anderen Werktag pünktlich zur Arbeit in unser Warenhaus Tietz. Bis kurz vor 10 Uhr verlief der Geschäftsbetrieb normal. Dann tauchten vor dem Warenhaus sehr viel Neugierige auf und um 10 Uhr rottete sich eine große Anzahl SA-Leute zusammen. Die SA stand nicht einfach herum und verteilte Flugblätter, wie es in der Zeitung zu lesen war, sondern sie bildete eine doppelte Postenkette vor dem Eingang. Mit Gewalt versuchten die SA-Leute, die Kunden am Betreten des Warenhauses zu hindern. Die Käufer, vor allen Dingen Frauen, ließen sich jedoch nicht abhalten, durchbrachen die Postenkette. Vermutlich von der Zwecklosigkeit überzeugt, wurden die SA-Leute bald abgezogen, nur einige Plakatträger blieben zurück. – Ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten Stammkunden auch an diesem Sonnabend ihre Einkäufe in den jüdischen Geschäften getätigt haben. Lediglich die Frauen bzw. Dienstboten einiger Beamter und leitender Nationalsozialisten kamen nicht. Dafür gaben einige Kundinnen telefonische Bestellungen auf und der Lieferwagen des Warenhauses brachte ihnen die Waren ins Haus.“

 Ernst Jagdmann, Stralsund, ehemaliger Angestellter der Stadt

„Als die Judenhetze immer üblere Formen annahm, geschah es, dass eines Tages Juden durch die Straßen unserer Stadt abgeführt wurden. In unserem Büro hörte ich das Gejohle unmenschlich gewordener SA-Leute, konnte aber nicht auf die Straße sehen. Aus dem Dienst wegzulaufen und wenigstens unten an Ort und Stelle gegen das Unrecht mit Worten zu protestieren, unterließ ich. Wir haben uns später im Kreise der Bekennenden Kirche noch lange ausgesprochen, unsere Geldspenden an die zentralen Stellen der BK, insbesondere später auch für die Arbeit des Büros Grüber, überwiesen, was aber unser Versagen nicht wieder gutmachen konnte.

Anni Pfeiffer, Stralsund: „Als die Synagoge brannte, gab es einen großen Menschenauflauf. Man sah viele Leute, auch viel Ältere, von denen etliche geweint haben. Ich erinnere mich, wie gerade in der Tribseer-Straße Geschäfte eingeschlagen wurden. Bei den Juden Gerson und Zimmerspitz hatte man Ziegelsteine in die Schaufenster geworfen. Ferner habe ich noch beobachtet, dass ein Jude von dem brutalen Polizisten Seidel am Halsband wie ein Hund über den Neuen Markt geschleift wurde. Mir tat er so leid. Allerdings waren nicht alle Polizisten wie der Seidel. Dazu ein Beispiel: Wir wohnten früher in der Papenstraße und mussten über die weißen Brücken zur Schule, die heute den Namen Wolfgang Heinze trägt. Vor den weißen Brücken stand auf einer kleinen Anhöhe ein Krieger-Denkmal, genau an der Stelle sah ich einen Polizisten mit einem Schäferhund. Ich kannte ihn. Es war Schipper-Dins, der beruhigend auf einen Juden einredete, der dort auf der Bank saß und weinte. Dinse hat ihn dann mitgenommen, aber er war zu dem Juden sehr freundlich und gut. Der saß da und hat geweint. Ich denke, `Schipper-Dins´ war gut zu ihm.“

Jüdisches Leben in Stralsund: Zusammenfassung - Aktion/2024

Chronologie Judenverfolgung in Stralsund

30.01.1933 Machtantritt Hitlers als Reichskanzler. Ortsparteizelle NSDAP Stralsund seit 1923/25.

 28.02.1933 Verordnung zum Schutze von Volk und Staat  (Aufhebung demokratischer Grundrechte)

20.03.1933 Bau des ersten Konzentrationslagers in Dachau bei München  

01.04.1933 Reichsweiter Boykott gegen Jüdische Geschäfte, Arztpraxen und Anwaltskanzleien = Judenboykott, organisiert von der SA, Beginn der „Arisierung“ jüdischer Geschäfte Stadtverwaltung erteilt generelles Einkaufsverbot für ihre Angestellte in Konsumvereinen, jüdischen Warenhäusern und Geschäften (STAS, Rep. 29, Nr. 134)

07.04.1933 Gesetz zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“

22.04.1933 Zulassungsverbot jüdischer Ärzte

16.06.1933 ca. 500.000 Juden leben im Deutschen Reich, in Stralsund sind es ca. 160 Personen aller Altersgruppen.

14.07.1933 durch „Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit“ werden alle nach dem I. Weltkrieg eingebürgerten Juden zu Staatenlosen.

21.09.1933 Aufruf zur Gründung eines Pfarrernotbundes (Martin Niemöller, Bonhoeffer)

22.09.1933 Ausschluss der Juden aus dem gesamten Kulturleben in Deutschland 1935 Erster Höhepunkt antisemitischer Hetze; Schmäh-Artikel erscheinen im „Judenspiegel“ (Wochenend-Beilage der NSDAP-Zeitung „Pommersche Zeitung“) Die „Arisierung“ der Kaufhäuser ist in Stralsund abgeschlossen.

25.07.1935 Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Juden sind vom Wehrdienst ausgeschlossen.

10.09.1935 „Rassentrennung“ an Schulen wird verordnet

15.09.1935 Gesetz zum „Schutz des deutschen Blutes und der Deutschen Ehre“ und Nürnberger Rassegesetze (Entzug der Bürgerrechte für Juden, Verbot von Eheschließungen zwischen Juden und Nichtjuden) Heiratsgesuche Edith Gerson+Hans-Joachim Kelpe, Erich Reinhardt +Herta Klempin, Joachim Tomaschewski+Liesbeth Steinfurth, Margarete Gundlach+Bruno Kolbe werden abgelehnt; dem Musiker ... wird eine Beendigung seiner Beziehung zur Halbjüdin Horneburg nahegelegt (StA Stralsund, Rep. 18, Nr. 432a)

30.09.1935 Beurlaubung aller jüdischen Beamten. Werner M. Gans verliert aufgrund seines Judentums seine Anstellung als Direktor des Lebensmittelprüfamtes Stralsund. 1933-1938 knapp 30% der Stralsunder Juden emigrierten nach Europa und Übersee bzw. In die Anonymität einer Großstadt im Deutschen Reich (A. Wagner, F. Kutnewski, u.w.)

31.12.1936 Ausschluss aller Juden aus dem Staatsdienst.

02.07.1937 an öffentlichen Schulen werden für jüdische Schüler Sonderklassen eingerichtet.

16.07.1937 Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar wird in Betrieb genommen.

Januar 1938 Erteilung von Zwangsnamen. In Stralsund erfolgt dies zum Ende 1938 bzw. Anfang 1939. Karl „Israel“ Böhm, Sophia Sara Groß, Elsa Sara Blach, u.v.a. (StA Stralsund, Rep. 18, Nr. 440)

März 1938 Pastor Grüber, evangelische Kirche Berlin, beginnt seine Hilfstätigkeit für „nichtarische“Christen

07.03.1938 Einführung der Zwangsarbeit für Juden in Deutschland. Die Eltern von Ruth Bernhardt leisten Zwangsarbeit in Hamburg; Gerhard Hilzheimer und Max Kotljarski werden ab 1940 zur Zwangsarbeit beim Straßenbau verpflichtet.

26.04.1938 Verordnung zur Anmeldung jüdischen Vermögens (StA Stralsund, Rep. 18, Nr. 442)

14.06.1938 Erlass zur Kennzeichnung und Registrierung jüdischer Gewerbebetriebe 27.09.1938 Juden dürfen nicht mehr Rechtsanwälte sein.

05.10.1938 Reisepässe der deutschen Juden werden mit „J“ gekennzeichnet. 26.10.1938 Ausweisung und Abschiebung der polnischen Juden, 15000 -17.000 im ganzen Reich, 38 in Stralsund davon betroffen sind: Nycha Fliesswasser und Kinder, Leo Pila mit Frau und Familie, Jakob Schnauzer mit Frau und Familie, Osias Fliesswasser mit Frau und Familie, sowie Leon Buchsbaum mit Frau und Familie. Ihre Abschiebung erfolgt im Dezember 1938.

09.11.1938 Reichskristallnacht und Novemberpogrome Stralsunder Synagoge brennt, Plünderung und Verwüstung zahlreicher jüdischer Geschäfte (Gustav Zimmerspitz), 30 jüdische Männer werden in „Schutzhaft“ genommen und ins KZ Sachsenhausen verbracht (u.a. Max Joseph, Dr. Martin Cohn, Pinkus Paul Eckdisch, Gerhard und Felix Gerson, Abraham Liwschütz, Josef Rotenberg)

12.11.1938 Gesetz zum „Schutz der Deutschen Rasse“ (Handels- und Geschäftsverbot für Juden)

31.12.1938 Gesetz zur „Enteignung jüdischen Volksvermögens“, Zwangsveräußerung aller jüdischen Betriebe, u.a. Leon Buchsbaum, Salomon Eckdisch, Hans Guss, Josef Rotenberg, Adolf Gerson, Osias Fliesswasser (StA Stralsund, Rep. 18, Nr. 433, 436, 437, 439, 441) Stadtverwaltung bekundet öffentlich Interesse an jüdischen Grundstücken, u.a. Max Joseph, Eugen Liebenthal, John Horneburg, Johanna Gerson (StA Stralsund, Rep. 18, Nr. 443, 444, 446) Dezember 1938 Beginn der „Kindertransporte“ in westliche europäische Länder (Helma Riess verlässt die Stadt auf diese Weise)

01.01.1939 Auflösung aller jüdischen Organisationen und Vereinigungen

30.04.1939 Juden verlieren den gesetzlichen Mieterschutz. In Stralsund erfolgte die Umsiedlung von Juden in das „Judenhaus“ Tribseer Damm 53, u.a. Johanna Gerson, Helene Gerson, Julius und Anna Riess, Simon und Rina Lemke, bzw. in das Haus der Gemeinde, Lange Straße 69, Erich und Klara Berta Joseph, Hans-Wilhelm Joseph, Gertrud Joseph, bereits schon früher. Eine typische Ghettoisierung erfolgte aber nicht, weil die Zahl der noch in der Stadt Verbliebenen gering war. (StA Stralsund, Rep. 18, Nr. 435)

 Mai 1939 alle jüdischen Stralsunder Geschäfte sind mittels Zwangsverkauf „arisiert“. 04.07.1939 Übertragung der schulischen Versorgung aller jüdischen Kinder auf die Reichsvertretung der Juden in Deutschland, was einem Schulverbot gleicht.

September 1939 Euthanasie-Aktion 1.287 Patienten der „Provinzialheilanstalt Pommern“ in Stralsund werden nach Wejherowo/Polen deportiert und in den Wäldern von Piasnica ermordet (David Saleschütz, Gertrud Wolff, Max Kohn)

05.12.1939 Beschlagnahme jüdischen Eigentums in Polen.

09.12.1939 erneute Transporte aus der „Provinzialheilanstalt Pommern“, Ziel: Heilanstalt Lauenburg/Pommern, heute: Leba/Polen (Clara Auerbach)

08.02.1940 Errichtung eines Ghettos in Lodz

12./13.02.1940 Deportation ins Ghetto Piaski im Rahmen der geplanten „Umsiedlung“ von Reichsjuden in die Ostgebiete, Piaski war das erste Transit-Lager, 34 Stralsunder Juden waren davon betroffen = alle ledigen und verwitweten Juden sowie alle rein jüdischen Ehepaare

27.04.1940 Errichtung KZ Auschwitz und Birkenau

16.10.1940 Errichtung des Warschauer Ghettos

01.09.1941 Einführung des Judensterns für alle Juden ab dem 6. Lebensjahr 23.10.1941 Auswanderungsverbot für Juden wird erlassen

16.10.-04.11.1941 Beginn von Deportationen aus Deutschland in die besetzten Ostgebiete November 1941 Errichtung des Vernichtungslagers Chelmno (Kulmhof) 08.11.1941-25.01.1942 Zweite Deportationswelle nach Osten

20.01.1942 „Wannsee-Konferenz“ behandelt die „Endlösung“ der Judenfrage; aus der ehemals geplanten „Umsiedlung“ wird die systematische Vernichtung allen jüdischen Lebens

17.03.1942 Beginn der Massenvernichtungen im Lager Belzec

20.03.1942 Das industrielle Töten in Auschwitz-Birkenau beginnt

27.03.-28.06.1942 Beginn der Deportationen aus Frankreich (Bruno Wolff) Ende April 1942 Beginn der Massentötungen in Sobibor

22.07.1942 Deportationen aus Warschauer Ghetto

04.10.1942 Verlegung aller Juden aus deutschen Konzentrationslagern nach Auschwitz

16.02.1943 formale Auflösung des Warschauer Ghettos

27.02.1943 Beginn der Deportation der jüdischen Rüstungsarbeiter aus Berlin nach Auschwitz. Aus Stralsund nach Berlin übergesiedelte Juden sind ebenfalls darunter: Willy, Meta und Ruth Bernhard, Margarethe Schmoll, Fritz Cohn

19.04.1943 Aufstand im Warschauer Ghetto endet mit der völligen Zerstörung desselben. Daran beteiligt ist David Mandelbaum aus Stralsund. Er überlebt das Ghetto und den  Weltkrieg.

02.08.1943 Aufstand in Treblinka

November 1943 Die letzten Stralsunder Juden werden nach Auschwitz deportiert: Familie Dorn, Max Kotljarski, Simon Hirsch, Felix Gerson, Isidor Lewkowitz Oktober 1944 Beginn des „Sondereinsatzes J“, die Zwangsverpflichtung und Internierung von „Mischlingen 1.Grades“ und „jüdisch Versippten“

19.01.1945 Befreiung von Lodz

27.01.1945 Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz. Die Befreiung dort erlebten: Max und Wolfgang Kotljarski,

 05./06.04.1945 Befreiung von Buchenwald

15.04.1945 Befreiung von Bergen-Belsen

30.04.1945 Hitlers Ende

01.05.1945 Deutschland kapituliert.

Von den ehemals 160 Juden Stralsunds haben überlebt: lora Barthel (Rückkehrerin aus Theresienstadt), Max Kotljarski (Rückkehrer aus Auschwitz), Bärbel Beyer-Cohn, Jenny Reupert, Frieda Zeeck, Hedwig Struck, Heny Steiner, Heinrich Steiner, (in der Stadt). Paul Pinkus Eckdisch überlebt mit Familie, Max Wein und Familie, Hans und Bert Cohn, Minna und Leon Sobel in den USA, Bernhard Grossmann, Margarete Gundlach und Helene Gerlach, Berta Steinfeld in England, John Horneburg, Irmgard Joseph, Martin Joseph, Kurt Joseph in Palästina, Simon Lemke und Familie in Palästina, Josef Rotenberg und Familie in Palästina, genau wie Fritz Löwenstein , David Mandelbaum und Familie und Helma Riess. Ernst Nathan Cohn überlebt in der Schweiz, Heinrich David Cohn in Berlin, Werner M. Gans in Spanien, Gustav Zimmerspitz mit Familie in Argentinien.

Bemerkung: Auch in unserem Pfarrhaus, Frankenstraße 39, haben zeitweise jüdische Mitbewohner gelebt, siehe Archiv. Eventuell könnte man einen Antrag für Stolpersteine vor unserem Pfarrhaus stellen? (Gustav Zimmerspitz)


Was nach dem 2. Weltkrieg im Bistum, in der Weltkirche und sonst geschah

Bistum

1946 Bischof: Konrad Graf von Preysing wird zum Kardinal ernannt.

1947 Paul Tkotsch wird in der Rosenkranzkirche in Steglitz zum ersten Weihbischof des Bistums Berlin geweiht.

1950 Bischof Konrad Kardinal von Preysing stirbt im Dezember

1951 Bischof Wilhelm Weskamm wird zum neuen Bischof ernannt / Weihbischof: Paul Tkotsch

1952 Der 75. Deutsche Katholikentag mit dem Motto „Gott lebt“ findet in Berlin statt.

1953 Erster Gottesdienst in der provisorisch hergerichteten Sankt-Hedwigs-Kathedrale • Das Petrusblatt wird in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) verboten

1954 In der DDR erscheint das katholische Hedwigsblatt

Weltkirche

1946 Papst Pius XII.

1950 Papst Pius XII. verkündet das Dogma über die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel.

1951 Papst Pius XII.: Enzyklika Ingruentium malorum (hält als hilfreiches Mittel zur Überwindung der Gewalt in Zeiten der Not zum regelmäßigen Rosenkranzgebet in den Familien an)

1954 Papst Pius XII.: Enzyklika zum Lob der ehelos und jungfräulich bleibenden Menschen im Dienste Gottes und Einführung des Gedenktages Maria, Königin des Himmels

1955 Papst Pius XII.: Enzyklika Musicae sacrae disciplina über die Bedeutung der Kirchenmusik in der Liturgie, speziell des Gregorianischen Chorals und der klassischen Polyphonie, sowie die Anordnung bei der musikalischen Gestaltung angemessene Disziplin zu wahren

Was sonst noch passierte

1947 Währungsreform mit Einführung der Deutschen Mark in den Westzonen und anschließende Blockade Berlins durch die Sowjets; Beginn der britisch-amerikanischen Luftbrücke • Bau des Flughafens Tegel; Gründung der Freien Universität in West-Berlin • Proklamation der Unabhängigkeit des Staates Israel; Beginn des Palästina-Kriegs • Ermordung von Mahatma Ghandi • Gründung der Weltgesundheitsorganisation (WHO)

1949 Gründung der Bundesrepublik Deutschland; Theodor Heuss wird erster Bundespräsident und Konrad Adenauer wird erster Bundeskanzler • Gründung der Deutschen Demokratischen Republik; Otto Grotewohl wird erster Ministerpräsident und Wilhelm Pieck wird erster und einziger Staatspräsident

1950 Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in der DDR • Beginn des Korea-Kriegs

1953 Volksaufstand am 17. Juni in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) • Entdeckung der Doppelhelixstruktur der Desoxyribonukleinsäure (DNA) • Erstbesteigung des Mount Everest • Waffenstillstandsunterzeichnung zwischen Nordkorea und den Vereinigten Staaten • Gründung vom Sender Freies Berlin (SFB

1955Ende der Besatzungszeit in DDR und BRD / Aufnahme der BRD in die NATO • Heimkehr der letzten deutschen Kriegsgefangenen / Gründung der Bundeswehr

In Gedenken an Frau Felicitas Knoppke; verstorben 2024
überarbeitet von Roland Steinfurth
Gemeinde Hl. Dreifaltigkeit Stralsund

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Katholische Kirchengemeinde Pfarrei St. Bernhard Stralsund/Rügen/Demmin • Frankenstr. 39 • 18439 Stralsund

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