18/04/2025 0 Kommentare
Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 17
Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 17
# Jubiläum250

Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 17
Bischöfe – Delegaten - Erzbischöfe – Kardinäle und Weihbischöfe
Besuch, Firmung und Visitation Teil 2
Fürstbischof Adolf Kardinal Bertram - Widersprüchlich
Es vergingen noch einige Jahre, ehe uns in Stralsund wieder ein Bischof besuchte. Es war der 12. Juni 1920, als Fürstbischof Adolf Kardinal Bertram aus Breslau in Stralsund eintraf, um 343 Gläubigen die Hl. Firmung zu spenden. Am Kirchenportal begrüßten ihn Vertreter der Regierung und der Stadt. Danach geleitete ihn Erzpriester Matthias Wahl in die Kirche und hieß ihn mit herzlichen Worten willkommen. Sonntagabend feierte die Gemeinde mit dem Bischof im Hotel „Brandenburg“ (am 06.10.1944 durch Bomben zerstört) ihr Gemeindefest. Am nächsten Tag reiste der Kardinal nach Bergen auf Rügen.
Wer war unser Fürstbischof Adolf Kardinal Bertram?

Adolf Johannes Kardinal Bertram (* 14. März 1859 in Hildesheim; † 6. Juli 1945 auf Schloss Johannesberg bei Jauernig, Tschechoslowakei) war ein deutscher römisch-katholischer Theologe und Bischof. Er wurde am 26. April 1906 zum Bischof von Hildesheim gewählt und später zum Fürstbischof von Breslau ernannt.
Bertram studierte katholische Theologie an den Universitäten Würzburg und München und empfing 1881 die Priesterweihe. Er promovierte in Kanonischem Recht und wurde 1905 Generalvikar. Während des Ersten Weltkriegs mahnte er zur Unterstützung des Vaterlandes.
1920 verbot er seinem Klerus politische Agitation, was sowohl polnische als auch deutsche Nationalsozialisten gegen ihn aufbrachte. Papst Benedikt XV. ernannte ihn 1919 zum Kardinal und Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz. Bei Kriegsende floh er nach Jauernig, wo er 1945 starb. Seine Gebeine wurden 1991 im Breslauer Dom beigesetzt.
Kardinal Bertram - Verhalten in der NS-Zeit
Bis heute ist Bertrams Verhalten gegenüber seinen polnischen Diözesanen umstritten, insbesondere in der Zeit des Zweiten Weltkriegs, sowie generell sein beschwichtigendes Taktieren gegenüber dem Nationalsozialismus. Der Kardinal vermied alles, was zum offenen Bruch zwischen Kirche und Staat hätte führen können. Eine erbetene Intervention gegen den geplanten Boykott jüdischer Geschäfte 1933 befürwortete Bertram nicht, wofür er folgende Gründe aufführte:
„Meine Bedenken beziehen sich
1. darauf, daß es sich um einen wirtschaftlichen Kampf in einem uns in kirchlicher Hinsicht nicht nahestehenden Interessentenkreis handelt;
2. daß der Schritt als Einmischung in eine Angelegenheit erscheint, die das Aufgabengebiet des Episkopats weniger berührt, der Episkopat aber triftigen Grund hat, sich auf sein eigenes Arbeitsgebiet zu beschränken …..
4. [dazu kann] die taktische Erwägung kommen, daß dieser Schritt, der nicht vertraulich im engeren Kreis bleiben kann, sicher die übelste Interpretation in den weitesten Kreisen von ganz Deutschland finden würde, was bei der überaus diffizilen und dunklen Gesamtlage keineswegs gleichgültig sein kann.“
Dass die überwiegend in jüdischen Händen befindliche Presse gegenüber den Katholikenverfolgungen in verschiedenen Ländern durchweg schweigend beobachtet hat, sei nur nebenbei erwähnt.
Als aufgrund der Nürnberger Gesetze getaufte Juden keine „Deutschblütigen“ Partner ehelichen durften, waren kirchliche Trauungen solcher Paare nicht mehr erlaubt. Der Bischof beschränkte sich auf eine geheime Intervention gegen diese Gesetze, die selbst innerkirchlich nicht bekannt werden sollten.

In einer Predigt bei der jährlichen Männerwallfahrt zum Annaberg sagte er 1937 vor einem großen Auditorium: „Es werden Stunden kommen, wo ihr sagen sollt, welche Religion ihr habt, ob ihr gottgläubig seid. Achtet auf eure Stunde. Was wollt ihr antworten? Den Gott, der aus Rasse und Blut geboren wird, oder den Gott, den Ludendorff predigt? An welchen Gott glaubt ihr denn? Ich glaube an Gott, den Christus verkündet hat, an den Gott, dessen Kreuze in deutschen Landen aufgestellt worden sind, und darum unterschreibe ich nur ‚römisch-katholisch‘. Das Wort ‚gottgläubig‘ genügt nicht.“
Während der Novemberpogrome 1938 verlangte der Nationalsozialistische Lehrerbund die Einstellung des Religionsunterrichts mit der Begründung, dass dort Juden verherrlicht würden. Bertram protestierte entschieden bei Erziehungsminister Bernhard Rust: „Jeder gläubige Lehrer weiß, daß diese Behauptung falsch und daß das Gegenteil richtig ist“.
Im Jahr 1940 verurteilte Bertram die Pläne und Propagierung der Aktion Lebensborn, den nationalsozialistischen Vitalismus sowie die künstliche Insemination von Menschen als „unmoralisch“, wobei er Lebensborn und ähnliche Vorhaben der NS-Regierung als staatlich verordneten Ehebruch bezeichnete.
Nach Einführung des obligatorischen Judensterns und dem Beginn der Deportation von Juden aus Deutschland 1941 stellte sich für die katholische Kirche in Deutschland das Problem, wie sie sich zu ihren Mitgliedern jüdischer Abstammung verhalten sollte. Bertram erließ am 17. September 1941 Richtlinien, wonach kein Unterschied zwischen Gemeindegliedern „arischer“ und „nichtarischer“ (das heißt: jüdischer) Abstammung zu machen sei. Deren „Absonderung“ sei „so lange als möglich zu vermeiden“; allerdings könnten ihnen die Gemeindepfarrer empfehlen, „möglichst die Frühgottesdienste zu besuchen“. Im Falle von Störungen solle eine Erklärung verlesen werden, wonach es in der Kirche keine Unterschiede nach Herkunft und Abstammung gebe. Bertram erwog dennoch einen getrennten Kirchenbesuch der Judenchristen.
In einem Schreiben an Kardinal Michael von Faulhaber im Oktober 1941 äußerte er sich jedoch anders: Er betonte, dass die Kirche dringendere Sorgen habe als die konvertierten Juden. Zum Schicksal der nichtkonvertierten Juden äußerte er sich nicht. Einen Monat später verhinderte er die Veröffentlichung eines Hirtenbriefs, der von den Bischöfen Konrad Graf von Preysing, Wilhelm Berning und Conrad Gröber entworfen worden war und in dem gegen die Grundrechtseinschränkungen des NS-Regimes sowie dessen antikirchliche Maßnahmen protestiert wurde. Der beginnende Holocaust und die unmenschliche Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen wurden in diesem Brief nicht thematisiert. Bertram lehnte die Veröffentlichung „im Prinzip und aus praktischen Gründen“ ab.
1943 setzte sich Bertram heimlich für die jüdischen Partner in „Mischehen“ ein, um ihre Deportation zu verhindern. Er protestierte auch gegen eine geplante Verordnung zur Scheidung von „rassisch gemischten Ehen“, da er dies als Verletzung des Sakramentenrechts ansah. Gleichzeitig versicherte er den Behörden, dass seine Ansichten nicht aus einem Mangel an nationaler Würde oder Liebe zum Deutschtum resultierten.
Verschiedene Historiker interpretierten eine undatierte handschriftliche Notiz Bertrams dahingehend, er habe noch Anfang Mai 1945 die Priester seiner Diözese aufgefordert, „ein feierliches Requiem im Gedenken an den Führer“ zu halten. Der amerikanische Rechtswissenschaftler Ronald J. Rychlak, der Papst Pius XII. mehrfach gegen den Vorwurf verteidigte, zum Holocaust öffentlich geschwiegen zu haben, behauptet, diese Anweisung könne von jemand anderem stammen und sei von Bertram möglicherweise annulliert worden.
Laut dem Görlitzer Bistumsarchivar Winfried Töpler muss der »Requiemszettel« entstanden sein, bevor Bertram am 22. Januar 1945 Breslau verließ, und habe Bertrams Schreibtisch nie verlassen; alle im Breslauer Archiv vorhandenen Schriftstücke Bertrams stammen aus der Zeit vor seiner Flucht, und es ist praktisch ausgeschlossen, dass der Zettel nach dem Kriegsende (noch dazu als Einzelstück) aus dem nun tschechoslowakischen Jauernig nach Breslau gebracht und dort einer Akte hinzugefügt wurde. Töpler vermutete, Bertram habe ihn zwischen dem Detonieren der Bombe beim Attentat vom 20. Juli 1944 um 12:42 Uhr und der öffentlichen Bekanntgabe von Hitlers Überleben um 18:28 Uhr geschrieben. Danach sei er durch einen dicken roten Strich ungültig gemacht worden. Die früheren Einschätzungen zu diesem Zettel beruhten auch darauf, dass die betreffenden Forscher das Original und die Akte, zu der er gehört, nie gesehen, sondern lediglich Fotokopien benutzt haben.
Dass Bertram nach Kriegsende 1945 behaupten konnte, vom Holocaust nichts gewusst zu haben, wird von einigen Historikern damit erklärt, dass er dieses Wissen von sich ferngehalten habe (nach Meinung des israelischen Historikers Saul Friedländer ).
Autorin Frau Felicitas Knoppke; verstorben 2024
überarbeitet von Roland Steinfurth
Korrektur Wolfgang Vogt
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