02/07/2024 0 Kommentare
Ein letzter Gottesdienst in Richtenberg
Ein letzter Gottesdienst in Richtenberg
# Pressemitteilung

Ein letzter Gottesdienst in Richtenberg
Pfarrer Willibald Kindermann war der erste katholische Priester seit der Reformation, der in Richtenberg ansässig wurde. Er wurde in Fugau bei Leitmeritz dem heutigen Litmerice in Tschechien geboren und 1935 zum Priester geweiht. Nach der Umsiedlung 1946 in ein Lager in der Nähe von Stralsund wurde ihm per Dekret aus Berlin die Seelsorge in Richtenberg/Franzburg anvertraut. So pendelte Pfr. Kindermann im Wechsel nach Richtenberg und Franzburg, was immer beschwerlich war. Am 01. November bekam er eine Wohnnug am Markt in Richtenberg. Hier wurde das erste Weihnachtsfest in Richtenberg gefeiert. Pfarrer Kindermann schreibt darüber in der Chronik:

„Zum ersten Male in der Geschichte seit der Reformation erlebte Richtenberg und Franzburg einen festlichen Weihnachtsgottesdienst. Um 19 Uhr sangen die Sängerinnen, die Wochen zuvor eifrig beim Pfarrer geprobt hatten: 1. Es ist ein Ros entsprungen. Dann 2. folgten 7 Adventsbitten. 3. das deutsche Weihnachtsevangelium. 4. Ehre, Ehre sei Gott in der Höhe dann Lesung, da die Ansprache des Pfarrers, wegen eines plötzlichen Herzanfalles wegbleiben mußte, dann „Stille Nacht“. Anschließend die Heilige Messe, während derselben die Schubertmesse : „wohin soll ich … und“ als Einlage „Schlafe wohl du“, „Süßer die Glocken“ … gesungen wurden. Es war sehr schön. Das erste Weihnachtsfest in der Fremde. In Franzburg am 1. Feiertag um 9 Uhr. Häuslich war der Hl. Abend schlicht, aber traut. Ein Christbäumchen, 1 Krippchen aus Haselnußstäbchen mit 4 Kerzen 4 Lamettafäden aus der Heimat, die uns ein tschechisches Fräulein geschickt hatte. Um nicht allein zu sein, hatten wir Fräulein Jo Siggler, eine Ermländerin zum Weihnachtsschmaus eingeladen. Beim reichgedeckten Tisch und beim Lesen der vielen Weihnachtsgrüße gingen die Gedanken zu allen lieben Bekannten, das Bild der Heimat tauchte im Geiste auf und rief die trautesten Erinnerungen wach. 1. Weihnachten in der Fremde!“

Das Haus in der Kurve, in dem die Marienkapelle ihren Platz fand, wurde 1949 erworben. Die erste Hl. Messe zelebrierte Pfr. Kindermann dort am 6. Dezember 1949 abends um 6 Uhr. Am 6. Januar 1950 fand die feierliche Einweihung durch Herrn Erzpriester Radek aus Stralsund statt.

Die katholische Gemeinde in Richtenberg erlebte viele gute und schöne Gemeinschaftserlebnisse. Gerade zu Beginn bereicherten die vielen geflüchteten Katholiken das Gemeindeleben. Kinder, Jugend und Familien organisierten Gottesdienste, Feste und Freizeiten. Auch wenn man schon seit dem Ende der achtziger Jahre wieder mit der alten Muttergemeinde Stralsund vermögensrechtlich verbunden war, konnte doch ein eigenständiges Gemeindeleben aufrecht erhalten bleiben. Ein fester Zusammenhalt prägte die Richtenberger Katholiken.

In den zurückliegenden Jahren zeigte sich dann doch immer deutlicher der Rückgang der Gemeindegliederzahl und des Gottesdienstbesuches. Es wurde zuletzt noch einmal im Monat sonntags um 14:00 Uhr die Hl. Messe gefeiert. Ein kleiner Kreis von Senioren traf sich monatlich zum geistlichen Beisammensein und anschließendem Kaffee und Kuchen. Aber auch hier nahm die Zahl der Teilnehmer alters- und krankheitsbedingt leider immer mehr ab. Auch die Folgen der Corona-Pandemie hinterließen Spuren. Der baulich schlechte Zustand des Hauses in der Kurve und die Erhaltungs- und Instandsetzungskosten des gesamten Objektes führten nun zu einer endgültigen Entscheidung.
Im September 2022 wurde die Kapelle durch Erzbischof Dr. Heiner Koch entwidmet. Im Dekret heißt es:
Auf Antrag des Pfarrers der Katholischen Kirchengemeinde Pfarrei St. Bernhard Stralsund/Rügen/Demmin vom 25.03.2022 und auf Beschluss des Kirchenvorstandes dieser Kirchengemeinde vom 17.03.2022 gebe ich nach Anhörung des Priesterrates gemäß can. 1222 § 2 CIC die Kapelle St. Marien in 18461 Richtenberg, In der Kurve 2, profanem Gebrauch zurück, die dadurch gemäß can. 1212 CIC als Heiliger Ort ihre Weihe verliert.
Zugleich ordne ich gemäß can. 1238 § 2 CIC an, dass der Altar entfernt und vor Verlust und Beschädigung geschützt würdig aufzubewahren ist, bis er gemäß can. 1239 § 1 CIC einem weiteren entsprechenden Gebrauch übergeben werden kann. Die Reliquien sind dem Altar zu entnehmen und dem Custos sacrarum reliquiarum zur Aufbewahrung zu übergeben. Der Ambo, der Tabernakel und das Altarkreuz sind zu entfernen und vor Verlust und Beschädigung geschützt würdig aufzubewahren, bis sie ebenfalls einem entsprechenden Gebrauch übergeben werden können.
Dieses Dekret tritt am Tage seiner Unterzeichnung in Kraft. Berlin, den 20.09.2022,
+ Dr. Heiner Koch, Erzbischof von Berlin
Einen Gottesdienststandort zu schließen, ist mit Schmerzen verbunden. Es kann sich anfühlen, als ob auch den vielen Erinnerungen an wunderbare Erlebnisse und Begegnungen ein Ende bereitet würde. Beziehungen wurden hier geknüpft, Menschen haben an diesem Ort wichtige Momente ihres Lebens erlebt wie die Feier der Erstkommunion, der Firmung, die Hochzeit und die Taufen der Kinder. Vielleicht kann es ein kleiner Trost sein, zu wissen, dass etwas bzw. jemand bleibt. Jesus ist der Immanuel, der Gott mit uns. Er ist das Alpha und das Omega. Er war, ist und bleibt in Ewigkeit. In gewisser Weise hat das katholische Gemeindeleben in Richtenberg mit der Weihnachtszeit 1946 begonnen. Die Marienkapelle konnte am Hochfest der Erscheinung des Herrn, dem Fest der heiligen Drei Könige, am 6. Januar 1950 eingeweiht werden. Am 8. Januar 2023 am letzten Tag der Weihnachtszeit, dem Fest der Taufe des Herrn, feiern wir mit der Hl. Messe um 14:00 Uhr mit Weihbischof Dr. Matthias Heinrich den letzten Gottesdienst in der Kapelle in der Kurve in Richtenberg.
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